Worin besteht die grundsätzliche Aufgabe eines Kurators der bildenden Kunst? Seine grundsätzliche Aufgabe besteht darin, entweder einen Sachverhalt mittels der bildenden Kunst oder aber eine bestimmte Auswahl bildender Kunst dem Betrachter zu vermitteln. Ein Instrument bildet das Konzept. Ein Ausstellungskonzept speist sich u.a. aus Erfahrungen, aus Ideen, kunsttheoretischen Ansätzen und themenbezogenen wissenschaftlichen Abhandlungen.
Ein Ausstellungskonzept ist ein erweitertes Ideenpapier. Es hat unabhängig des Adressaten kurz, knapp und prägnant zu sein. Es ist in den seltensten Fällen eine wissenschaftliche Abhandlung. Der Grund hierfür liegt in der Verständlichkeit. Die Adressaten wissenschaftlicher Abhandlungen sind in der Regel Wissenschaftler, demnach Fachleute, welche sich aus welchen Gründen auch immer einem oder mehreren Spezialgebieten verschrieben haben und deren Wissen ein Vielfaches dessen umfasst, das sich ein Ausstellungsbesucher im Regelfall im Laufe seines Lebens aneignen kann. Ohne ein kunsthistorisches oder kunstwissenschaftliches Studium bleibt der Zugang zur Kunst ein Begrenzter. Allein die zeitgenössische Kunst verführt den Betrachter zu Weilen zu der Auffassung, dass ein derartiges Studium nicht von Bedeutung ist − demnach keinen Sinn hat. Ein Studium bildet jedoch die Grundlage. Ein kunsthistorisches bzw. kunstwissenschaftliches Studium ist alternativlos.
Ist der Kunstgenuss demnach lediglich Fachleuten vorbehalten? Ist der ungebildete bzw. bedingt gebildete Betrachter zum Kunstgenuss überhaupt in der Lage? Die Fragen lassen sich nicht so einfach beantworten. Selbstverständlich ist der kunsthistorisch ungebildete Besucher fähig Kunst zu genießen – wenn man so will – beim Betrachten „Glück“ zu empfinden, jedoch ist dieses „Glück“ eher ein Unbestimmtes, stark emotional Geprägtes. Zu vergleichen, wenn auch nicht gleichzusetzen, mit jenem Gefühl, dass während und am Ende der künstlerischen Produktion meist vom Produzenten empfunden wird. Auf Grund der fehlenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung und den langjährigen Erfahrungen in der Kunstanalyse wird der Gegenstand der Betrachtung in den seltensten Fällen jedoch verstanden, geschweige denn im Gesamtzusammenhang wahrgenommen und bewertet. Demnach bleibt diesem Betrachter das Glück, welches sich durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Betrachtungsgegenstand ergibt, verwehrt. Über Jahrhunderte hinweg war der Erkenntnisgewinn einer der wenigen Wege zum „Glück“. Diesen Weg beschritten all jene, die nicht allein in der Sicherung ihrer Existenz ihre Erfüllung sahen. Erkenntnisgewinn muss heute einen Zweck erfüllen. Interessanter Weise in gewisser Weise die Absicherung der Existenz, des guten Lebens, welches in der Regel pekuniär verstanden wird. Der zwecklose oder besser der Erkenntnisgewinn, welcher nicht pekuniären Zielen dient, scheint ausgedient zu haben.
All jene der gegenwärtigen Betrachter, welche nicht nur ein bescheidenes Glück in der unreflektierten Betrachtung der Kunst finden wollen, sondern sich auch als Sammler bemühen und im Stillen hoffen, dass ihre Investitionen Früchte tragen werden, um demnach mittels der Kunst zu Reichtum und Ruhm zu gelangen, hoffen meist in letzter Konsequenz vergebens. Das Bemühen, um den sogenannten zwecklosen Erkenntnisgewinn, führt nicht nur zur Glückseligkeit während des reinen Betrachtens, sondern eben auch zu einem wie auch immer gearteten wirtschaftlichen Glück. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung bewahrt meist vor Fehlkäufen oder − anders formuliert − die sinnhafte Auseinandersetzung weist im Regelfall den Weg nicht nur zum Aufbau einer qualitativ hochwertigen Sammlung sondern auch zum Aufbau einen beträchtlichen Vermögens. Wenn das kein Glück ist!
Christian Gracza
Kurator der Ausstellung „Sinn & Glück“
Berlin, den 13. August 2013.